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24.05.04

"Mich hat der Zoff im Bus genervt"
Schüler wider Randale und Drängeln: Fahrzeugbegleiter in Bus und Bahn haben keine Nachwuchssorgen / Konzept bewährt sich

VON UNSERER MITARBEITERIN INGRID JENNERT

SCHOPFHEIM. 18 Schüler und Schülerinnen von der Montfort-Realschule in Zell und 14 von der Gertrud-Luckner-Realschule in Rheinfelden haben ihre Ausbildung zum/zur Fahrzeugbegleiter/in abgeschlossen und erhielten nun im Rahmen eines Verkehrsinformationstages ihre Fahrzeugbegleiterausweise. Einmal selbst einen Bus zu lenken war für sie unter verschiedenen Angeboten wie Verkehrs-Quiz oder dem Hammerschlag auf Sicherheitsglas das krönende Erlebnis. Vatis Auto wäre für sie absolutes Tabu, doch auf dem Betriebsgelände der Südbaden-Bus GmbH (SBG) in Schopfheim steuert die 15-Jährige mit dem blonden Pferdeschwanz souverän einen großen Bus um rotweiße Markierungshüte - und die Polizei schaut zu. Neben ihr sitzt in dem Schulungsfahrzeug Bus-Fahrlehrer Paul Torno, es kann also nichts passieren. Nun weiß das Mädchen, wie schwierig es ist ein Bus zu manövrieren und in welche Gefahr sich deshalb Schüler begeben, die an der Haltestelle drängeln.

Seit dem Start des Präventionsprojektes "Faires Fahr'n in Bus und Bahn" (FFiBB) im Herbst 2002 beenden im Dreimonatsrhythmus jeweils zwei Schülergruppen aus dem Landkreis Lörrach die Ausbildung zum Fahrzeugbegleiter. Wer mindestens 14 Jahre alt ist und mindestens die achte Klasse besucht, kann sich dazu freiwillig melden. Fahrzeugbegleiter achten auf ihrem Schulweg in Bus und Bahn, dass sich die mitfahrenden Altersgenossen fair und anständig verhalten. Hintergrund des Projektes ist die Erkenntnis, dass der erhobene Zeigefinger eines Schaffners oder Busfahrers bei den Jugendlichen, die mit Pöbeleien oder Sachbeschädigung Aggressionen abreagieren, wenig Wirkung zeigt, während ein Hinweis von Gleichaltrigen in ihrer eigenen Sprache durchaus auf fruchtbaren Boden fallen kann. Der deutliche Rückgang von Sachbeschädigungen im Busbereich, über den SBG-Revisor Herbert Kropf durch das Bus-Personal und die Werkstattcrew informiert wurde, bestätigt diese Überlegung. Zahlenmäßig lasse sich das noch nicht belegen, so Kropf, da neue Berechnungen noch fehlten. Bisher musste die SBG jährlich mit Materialbeschädigungen im Wert von 700 000 Euro rechnen. Auch Randale komme in den 60 Bussen, die im Auftrag der SBG täglich im Schülerverkehr fahren, kaum noch vor. Viel wichtiger als etwa die Verhinderung von Schmierereien mit Eddingstiften auf den Sitzpolstern sei indes die Vermeidung von Unfällen, betont auch Thomas Gerbert vom Bundesgrenzschutz, der sich ebenfalls an dem in Baden-Württemberg bisher einmaligen Präventionsprojekt beteiligt, das sich auch auf Bahnschüler bezieht. "Der Bus kann noch ausweichen, aber die S-Bahn hat hier keine Chance" macht Gerbert die noch größeren Gefahren beim Schienenverkehr deutlich. Bisher kam kein schlimmeres Unglück vor. Ein tragischer Unfall durch drängelnde Schüler, bei dem ein Jugendlicher getötet wurde, liegt über 20 Jahre zurück.

Geschickt, freundlich und mutig sollen sich die jungen Fahrzeugbegleiter einmischen, wenn an der Bushaltestelle oder am Bahnsteig gefährlich gedrängelt wird, wenn sich Schüler in die Wolle kriegen oder ein Einzelner als Opfer von Sticheleien ausgeguckt, und beispielsweise am Aussteigen gehindert wird. Andrea Biebl schult die Jugendlichen, die sich dafür zur Verfügung stellen. In Rollenspielen üben sie etwa, jemanden gezielt anzusprechen und erleben, welche Wirkung das hat. "Hey, du mit dem roten T-Shirt, hör doch bitte auf zu drängeln." So werde Öffentlichkeit hergestellt, sagt Biebl, "jeder weiß wer gemeint ist". Das im Ernstfall zu sagen, erfordere Zivilcourage, weiß Biebl. Die zu trainieren bringe auch persönlichen Gewinn, und anderen beizustehen, ein gutes Gefühl. Das seien Gründe, weshalb das Projekt keine Nachwuchssorgen habe. Einer der frisch ernannten Fahrzeugbegleiter sagt: "Mich hat einfach der Zoff im Bus genervt." Jetzt könne er dagegen angehen. Das Personal von Bus und Bahn ist informiert und stärkt den Jugendlichen den Rücken.

Bei FFiBB ziehen viele Beteiligte an einem Strang: Sämtliche Verkehrsbetriebe und -verbünde in der Regio, Stadt und Landkreis Lörrach, das staatliche Schulamt, Polizei und Bundesgrenzschutz. Als Belohnung für ihren ehrenamtlichen Einsatz werden die Schüler einmal im Jahr mit einem "Event" belohnt. Meist ist das ein Besuch im Europapark.

© Schulbus.Net mit freundlicher Genehmigung der Badischen Zeitung

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