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(1) | An Omnibussen des Linienverkehrs, an Straßenbahnen und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten, darf, auch im Gegenverkehr, nur vorsichtig vorbeigefahren werden. |
(2) | Wenn Fahrgäste ein- oder aussteigen, darf rechts nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Sie dürfen auch nicht behindert werden. |
(3) | Omnibusse des Linienverkehrs und gekennzeichnete Schulbusse, die sich einer Haltestelle (Zeichen 224) nähern und Warnblinklicht eingeschaltet haben, dürfen nicht überholt werden. |
(4) | An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrzeugführer warten. |
(5) | Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten. |
(6) | Personen, die öffentliche Verkehrsmittel benutzen wollen, müssen sie auf den Gehwegen, den Seitenstreifen oder einer Haltestelleninsel, sonst am Rand der Fahrbahn erwarten. |
Örtlicher und persönlicher Schutzbereich
Der örtliche Schutzbereich der Vorschrift bezieht sich jeweils auf die räumliche Umgebung von Haltestellen für den öffentlichen Personenverkehr, die im Regelfall (Abs. 1 bis 4) mit Zeichen 224 gekennzeichnet sind.
Der persönliche Schutzbereich der Regelungen bezieht sich ausschließlich auf mögliche oder tatsächliche Fahrgäste des öffentlichen Personenverkehrs. Bereits nach der Ansicht des OLG Hamm [4] wurden durch § 20 Abs. 1 a alter Fassung keine Fußgänger geschützt, die, ohne zuvor Fahrgäste gewesen zu sein, in Höhe eines haltenden Schulbusses die Fahrbahn zu überqueren versuchen und dadurch einen Unfall erleiden. Diese Ansicht wird auch heute noch vertreten von Hentschel [5], ist jedoch mit der neueren Rechtsansicht des OLG Köln [6] nicht nur aus dem formalen Grund abzulehnen, weil in Abs. 1 keine Fahrgäste erwähnt werden bzw. weil durch einen haltenden Bus eine besondere Gefahrensituation geschaffen wird. Vielmehr ist aus der Sicht von Kraftfahrzeugführern während des Zufahrens auf einen Haltestellenbereich regelmäßig überhaupt nicht zu erkennen, ob es sich bei dem die Straße überquerenden Fußgänger um einen potenziellen oder ehemaligen Fahrgast oder einfach nur um einen Fußgänger handelt, der gerade an dieser Stelle die Fahrbahn überqueren möchte. Diese Unsicherheit erfordert die Ausdehnung des Schutzbereiches zumindest des Abs. 1 auch auf Fußgänger, die ohne zuvor Fahrgäste gewesen zu sein, die Fahrbahn im Bereich einer Haltestelle überqueren.
Eine besondere Schutzwirkung entfaltet § 20 für Kinder und ältere Verkehrsteilnehmer, da diese beiden Personenkreise besonders auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen sind [7].
Ein institutionell begründetes oder persönlich motiviertes Interesse an der konkreten Umsetzung des Schutzzweckes der Norm liegt bei zahlreichen Organisationen, Verbänden und Personen vor. In erster Linie und stellvertretend für andere Personenkreise sind an dieser Stelle die Eltern von Millionen von Schülern zu benennen, deren Kinder werktäglich mit Schulbussen zur Schule und zurück transportiert werden. Aus dem Kreis der Organisationen und Institutionen, die ganz besonders an einem reibungslosen Funktionieren der Regelungen des § 20 interessiert sein müssen, sollten an dieser Stelle besonders die Verkehrsbetriebe und Omnibusunternehmen genannt werden. Ihre Fahrerinnen und Fahrer nehmen gegenüber ihren Fahrgästen nicht nur eine Servicefunktion wahr, sondern haben darüber hinaus auch eine Garantenstellung für deren Sicherheit beim Ein- und Aussteigen sowie während der Fahrt inne, die das Fahrpersonal zu besonders vorsichtiger Fahrweise und umsichtigem Handeln verpflichtet.
Was sind eigentlich "Öffentliche Verkehrsmittel" ?
Zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sind diejenigen Kraftfahrzeuge und Schienenfahrzeuge zu rechnen, deren Auftrag es ist, im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge in ausreichendem Maß Angebote zur Personenbeförderung im Linienverkehr bereit zu halten. Zu diesem Zweck werden KOM, Schienenbahnen und Obusse eingesetzt. Eine besondere Art der öffentlichen Verkehrsmittel sind in dem eben dargestellten Sinne die Schulbusse, die mit der Daseinsvorsorge des sicheren Schülertransports beauftragt sind [8].
Obusse sind elektrisch angetriebene, nicht an Schienen gebundene Straßenfahrzeuge, die ihre Antriebsenergie einer Fahrleitung entnehmen (§ 4 Abs. 3 PBefG). Kraftomnibusse sind mit einer Fahrerlaubnis gem. § 6 Abs. 1 Klasse D FeV zu führende KFZ zur Beförderung von Personen, die außer dem Führersitz mit mehr als acht weiteren Sitzplätzen ausgestattet sind [9]. Schulbusse sind gem. § 33 Abs. 4 BOKraft besonders mittels eines Schildes "Schulbus" sowie einem Sinnbild nach Anlage 4 zum § 33 Abs. 4 BOKraft kenntlich gemachte Busse, die zur Schülerbeförderung eingesetzt werden. Es handelt sich um das bekannte Sinnbild zweier im Scherenschnitt gezeigter Hand in Hand gehender Kinder auf quadratischem orangefarbenem leuchtendem Grund. Dieses Schild darf bei anderen als der Schülerbeförderung dienenden Fahrten nicht gezeigt werden. Öffentlicher Personennahverkehr ist zwar auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der einen Linienverkehr mit KOM, Schienenbahnen oder Obussen ersetzt, ergänzt oder verdichtet. Der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen fällt jedoch nicht in den Schutzbereich des § 20, weil er regelmäßig nur in den verkehrsarmen Nachtstunden bzw. an Sonn- und Feiertagen stattfindet und daher keines besonderen Schutzes durch die StVO bedarf und daher nicht in den Wortlaut des § 20 aufgenommen werden musste.
Ein Linienverkehr liegt vor bei einer zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichteten regelmäßigen Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Er setzt nicht voraus, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten besteht oder Zwischenhaltestellen eingerichtet sind (§ 42 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 PBefG).
Was wird unter dem Begriff "Haltestellen" verstanden?
Als Haltestellen für öffentliche Verkehrsmittel und Schulbusse dienen die mittels Zeichen 224 gekennzeichneten Bereiche im Verkehrsraum. Der im Abs. 1 angesprochene räumliche Bereich "an Haltestellen" ist nicht mit dem Bereich der Vorschrift des § 12 Abs. 3 Nr. 4, wonach 15 m vor und hinter Haltestellenschildern das Parken unzulässig ist, gleichzusetzen, sondern geht über diese Grenzen deutlich hinaus. Auch der regelmäßig noch enger bemessene Bereich von etwa vorhandenen Haltebuchten eignet sich nicht zur Eingrenzung des örtlichen Schutzbereiches aus Abs. 1. Für die Umgrenzung des örtlichen Schutzbereiches wird es vielmehr darauf ankommen müssen, aus welchem Grund dieser Schutzbereich eröffnet werden muss, nämlich um als Fahrzeugführer den Anhaltevorgang der aufgeführten Verkehrsmittel nicht zu behindern und auf ein- oder aussteigende Fahrgäste vorbereitet zu sein. In diesem Sinne ist ein Schutzbereich von ca. 2 Fahrzeuglängen des öffentlichen Verkehrsmittels anzunehmen, wobei im Sinne eines effektiven Schutzes der Fahrgäste jeweils eine halbe Fahrzeuglänge vor und hinter dem Verkehrsmittel anzusetzen sind [10].
Was bedeutet eigentlich "Schrittgeschwindigkeit"?
Unter "Schrittgeschwindigkeit" ist nach der Rechtsprechung eine Geschwindigkeit von 4 - 7 km/h zu verstehen, die nach der für die Eingrenzung der Schrittgeschwindigkeit heranzuziehenden Begründung zur Einführung der Zeichen 325/326 (Beginn und Ende eines verkehrsberuhigten Bereichs) "eine sehr langsame Geschwindigkeit" bedeutet, "die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht" und "wesentlich unter 20 km/h" anzusiedeln ist [14]. Das Vorbeifahren mit Schrittgeschwindigkeit soll es den Kraftfahrzeugführern in Gefahrensituationen ermöglichen, sofort anhalten zu können, um die Sicherheit der Fahrgäste ausreichend gewährleisten zu können [15].
Unter Schrittgeschwindigkeit ist in jedem Fall eine im Vergleich so langsame Geschwindigkeit zu verstehen, die der eines normal gehenden Fußgängers entspricht [16]. Für die gegenteilige Ansicht bedeutet Schrittgeschwindigkeit eine Geschwindigkeit, die absolut jedenfalls deutlich unter 20 km/h anzusiedeln ist [17]. Begründet wird diese im Ergebnis undeutliche, sich aber bewusst von der Rechtsprechung nach oben absetzende Interpretation mit dem Argument, eine Schrittgeschwindigkeit von 4 - 7 km/h sei von Kraftfahrzeugführern mittels Tachometer nicht zuverlässig zu überprüfen und Radfahrer würden bei dieser Geschwindigkeit instabil fahren.
Im Ergebnis bevorzugt diese Ansicht die Führer von Fahrzeugen und benachteiligt die Fahrgäste öffentlicher Verkehrsmittel. Aus Gründen der Verkehrssicherheit, speziell aber des effektiven Schutzes von Fahrgästen und Schulkindern ist der Rechtsprechung zu folgen, wonach Schrittgeschwindigkeit sich daher im Rahmen von 4 - 7 km/h, bei unmittelbar möglichen Gefahren sogar unterhalb von 4 km/h bewegt [18].
Zusätzlich fordert Abs. 2 in Satz 1 und 2 von den Fahrzeugführern, dass die Fahrgäste während des Vorbeifahrens weder behindert, noch gefährdet werden dürfen und gilt daher als Spezialvorschrift gegenüber den allgemeinen Regeln des § 1 Abs. 2. Es handelt sich um eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die im Falle von deren Verletzung u. U. auch strafrechtlich relevant sein kann.
Wird also ein Fahrgast während des Vorbeifahrens dennoch behindert oder gar gefährdet, so liegt ein ordnungswidriger Verstoß gegen die Spezialregel des § 20 Abs. 2 und kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 vor. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 wäre tateinheitlich mit einem Verstoß gegen § 20 Abs. 2 aber immer dann gegeben, wenn ein Fahrgast verletzt und damit i. S. v. § 1 Abs. 2 geschädigt wurde.
Während der Vorbeifahrt an einem öffentlichen Verkehrsmittel müssen andere Fahrzeugführer, also nicht nur die Führer von KFZ, sondern auch Radfahrer, immer dann warten, wenn dies "nötig" ist. Die Formulierung "wenn nötig" bildet einen unbestimmten Rechtsbegriff, der ausgelegt werden muss. Diese Notwendigkeit ist stets in den Fällen gegeben, wenn die Fahrgäste den ihnen auf der Grundlage der Regelungen des § 20 gegenüber dem Fahrverkehr gewährten Vorrang auch nutzen wollen, um zum Einstieg zu gelangen oder vom Ausstieg ihren Weg zur von ihnen gewünschten Fahrbahnseite zurücklegen wollen. Wird dieses gewünschte Verkehrsverhalten von den ihre Aufmerksamkeitsverpflichtung beachtenden Fahrzeugführern erkannt, ist es nötig, anzuhalten und den Fahrgästen den Vorrang zu gewähren. Andererseits darf dieser Vorrang von den Fahrgästen nicht einseitig ausgenutzt bzw. sogar erzwungen werden und darüber hinaus befreit der Vorrang die Fahrgäste nicht von ihren Verpflichtungen aus § 1, wonach auch sie selbst den Fahrverkehr aufmerksam beobachten müssen und nicht blindlings auf den ihnen gewährten Vorrang vertrauen dürfen [19].
Ist allerdings ein solches, insoweit zielstrebiges Verkehrsverhalten bei dem betreffenden Fahrgast (es muss tatsächlich nur einer sein) nicht erkennbar, so ist es nicht nötig anzuhalten und der Fahrzeugführer darf seine Fahrt mit Schrittgeschwindigkeit fortsetzen [20].
Während des Vorbeifahrens ist durch Abs. 2 Satz 1 zusätzlich ein seitlicher Sicherheitsabstand vorgeschrieben, der ausreichend bemessen sein muss, um mögliche Behinderungen oder Gefährdungen auszuschließen. Die Berechnung dieses seitlichen Sicherheitsabstands erfordert von dem betreffenden Fahrzeugführer die korrekte Einschätzung seiner Geschwindigkeit sowie der des sich auf sein Fahrzeug hinzubewegenden Fahrgastes. Ist der Abstand genügend groß, dass durch den Fahrzeugführer beim Fahrgast der Vorgang eines wartenden Verweilens bis der Fahrzeugführer mit seinem Fahrzeug die Begegnungsstelle passiert hat ausgeschlossen werden kann, darf mit Schrittgeschwindigkeit weiter gefahren werden. Kann jedoch diese Wartevorgang vom Fahrzeugführer nicht ausgeschlossen werden, wäre der Sicherheitsabstand zu gering und es läge bereits eine konkrete Behinderung des betreffenden Fahrgastes vor. Auch in diesen Fällen ist es nötig, zu warten bis der Fahrgast sein Nahziel erreicht hat.
In dem meisten Fällen dürfte für das gefahrlose Passieren des öffentlichen Verkehrsmittels ein seitlicher Abstand von mindestens 2 Metern von dem sich am nächsten befindlichen Fahrgast ausreichen, um nötigenfalls noch auf eine vorher nicht absehbare Gefahrenlage wie etwa einem plötzlich ins Stolpern geratenden Fahrgast reagieren zu können [21].
Straßenverkehrsbehörden müssen auf der Grundlage von VwV-StVO zu § 16 zu Abs. 2 prüfen, welche Haltestellen in ihrem Bereich für diese besondere gefahrenabwehrende Regelung geeignet sind. Für die Anordnung von Warnblinklichthaltestellen gelten gem. VwV-StVO zu § 16 zu Abs. 2 folgende Verbindlichkeitsstufen:
Handlung der Straßenverkehrsbehörde | Verbindlichkeitsgrad der Handlung
Allgemeine Auswahl von Haltestellen | Pflichtgemäßes Ermessen
| Haltestellen mit vorherigem KFZ/Fußgängerunfall | Anordnung indiziert
| Ortsbesichtigung | Zwingend erforderlich
| Anordnung | Zwingend auszusprechen gegenüber Busbetreibern und Fahrern
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Ferner gibt die VwV zwei entsprechende Anordnungsempfehlungen vor:
Dadurch, dass die Anordnung der Warnblinklichthaltestelle zwingend gegenüber den Busbetrieben und deren Fahrern zu erklären ist, sollte diese Verpflichtung, die als ein Verwaltungsakt zu bewerten ist [22], in zweckmäßiger Weise gegenüber dem jeweiligen Busbetrieb sowie seinen sämtlichen Fahrern erklärt werden. Sinnvoll ist es aus Gründen der Absicherung der Straßenverkehrsbehörde, von dem Busbetrieb eine schriftliche Rückmeldung verbindlich in der Form abzufordern, dass seine sämtlichen Fahrer die Kenntnisnahme der Anordnung verbindlich schriftlich zusichern. Für den einzelnen Busfahrer handelt es sich bei dieser Verpflichtung um eine Dienstpflicht.
Da für diese Verwaltungstätigkeit aus dem Regelungsbereich der StVO keine spezielle Gebühr vorgesehen ist, richtet sich die Gebühr aufgrund des 2. Abschnitts Buchstabe F. Geb.-Nr. 399 der GebOSt nach einer sachlich vergleichbaren Gebühr, die sich in der Geb.-Nr. 261 für die Anordnung gem. § 45 Abs. 6 StVO über Maßnahmen der Unternehmer an Arbeitsstellen finden lässt. Damit ergibt sich für diese Amtshandlung ein Gebührenrahmen, je nach eingesetzter Arbeitszeit, zwischen 10,20 bis 767,00 .
Ein Busfahrer nähert sich während seiner Fahrt einer Haltestelle ab dem Ort und Zeitpunkt, wenn er mit seinem Bus nach außen erkennbar einen bestimmten Haltestellenbereich ansteuert, um dort Fahrgäste ein- oder aussteigen zu lassen [23].
Weder § 16, noch § 20 oder gar die einschlägigen Verwaltungsvorschriften legen genau fest, ab welcher Entfernung das Warnblinklicht von den Busfahrern tatsächlich einzuschalten ist. Nach der zutreffenden Auffassung von Bouska sollte die Entfernung niemals auf den Meter genau, sondern mit der Angabe "etwa ... Meter" erfolgen [24].
Die zeitliche Dauer der Pflicht, das Warnblinklicht eingeschaltet zu lassen beginnt mit dem Annäherungsvorgang an der von der Straßenverkehrsbehörde angeordneten Stelle vor dem Haltestellenbereich. Streitig ist, wie lange diese Pflicht fortgilt. Nach Hentschel gilt diese Verpflichtung lediglich während des Wechselns der Fahrgäste [25], also nur so lange, bis der letzte Fahrgast den Bus verlassen oder betreten hat [26]. Nach dieser Ansicht würde das Warnblinklicht während des anschließenden Überquerens der Fahrbahn durch die Fahrgäste nicht eingeschaltet bleiben dürfen.
Die gegenteilige Auffassung wird von Bouska vertreten, der sich dafür ausspricht, das Warnblinklicht auf der Grundlage von dessen Schutzfunktion aus § 16 Abs. 2 Satz 2 so lange eingeschaltet zu lassen, bis die Fahrgäste, die nach dem Ausstieg oder vor dem Einstieg erkennbar die Straße überqueren wollen, ihren gesamten Verkehrsvorgang abgeschlossen haben [27]. Dieser den Charakter der StVO als Schutzgesetz bestärkenden Ansicht ist u. a. auch deshalb zu folgen, weil der Busfahrer mit dem Transport der Fahrgäste regelmäßig auch eine Garantenpflicht für deren Sicherheit übernimmt und daher alles in seiner Macht stehende zu unternehmen hat, um erkennbare Gefahren von seinen ehemaligen oder potenziellen Fahrgästen abzuwehren.
Schließlich handelt es sich beim um die Phase des Überquerens der Fahrbahn zeitlich erweiterten Ein- oder Ausstieg wie er in § 16 Abs. 2 Satz 1 erwähnt ist auch nicht um ein der StVO fremdes Prinzip der zeitlichen und örtlichen Erweiterung des Schutzbereiches. Dieses Prinzip findet sich bereits im § 26, der es im Abs. 1 Satz 1 den Fahrzeugführern zur Pflicht macht, den Fußgängern bereits dann das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen, wenn sie den Überweg erkennbar benutzen wollen, sich also noch nicht auf der Fahrbahn befinden.
Das besondere Überholverbot
Während sich der Bus der Haltestelle mit eingeschaltetem Warnblinklicht nähert, ist es anderen Fahrzeugführern verboten, diesen zu überholen. Damit enthält Abs. 3 einen gegenüber der allgemeinen Überholverbotsvorschrift aus § 5 speziellen Tatbestand eines Überholverbots. Diese Entscheidung des Verordnungsgebers ist systematisch nicht gut gelungen [28]. Zeitlich beginnt das Überholverbot mit dem Einschalten des Warnblinklichts.
In manchen Fällen insbesondere während der Hauptverkehrszeiten in städtischen Ballungsräumen reicht es jedoch nicht aus, dieses zeitliche Sicherheitserfordernis zu beachten, sondern es muss darüber hinaus die Verständigung mit dem Teilnehmer (den Teilnehmern) des nachfolgenden fließenden Verkehrs gesucht und gefunden werden [36]. Ein persönlicher Blickkontakt aus dem Fahrerfenster heraus ist dafür unerlässlich.
Die Ankündigung kann in den Fällen unübersichtlicher Verkehrssituationen und Örtlichkeiten auch über die Hilfsperson des Einweisers erfolgen, wenn der Fahrer dies mit eigenen technischen Mitteln nicht bewerkstelligen kann. Bei möglichen Gefahrensituationen fungiert der Einweiser auf diese Weise zudem als Warnposten.
Besonders die großen und schwerfälligen Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs sind auf die Rücksichtnahme durch die Kraftfahrzeugführer der mobileren PKW angewiesen. Diese Verkehrspartnerschaft funktioniert nur dann reibungslos, wenn beide Partner verlässlich agieren und reagieren. Dazu gehört es neben der Rücksichtnahme der PKW-Fahrer aber auch, dass Busfahrer das ihnen zustehende Vorrecht nicht rücksichtslos erzwingen, sondern es behutsam, aber mit der notwendigen Fahrstringenz einfordern. So hatte ein Busfahrer in einem vom OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fall eine für ihn besonders nachteilige Verkehrssituation zu bewältigen. Einerseits sah er sich beim erwünschten Einfahrvorgang mit einem in seiner Haltebucht vor ihm parkenden PKW konfrontiert und andererseits bewegte sich in dem links von ihm verlaufenden Fahrstreifen eine Fahrzeugschlange fort, von deren Fahrzeugführern ihm keiner die Einfahrt ermöglichen wollte [37]. In diesen Fällen dürfen sich Busfahrer unter Beachtung ihrer Pflichten aus § 10 auch dann in den fließenden Verkehr hineindrängeln, wenn der nachfolgende Verkehr behindert wird. Auch in Fahrzeugkolonnen sind die einzelnen Fahrzeugführer dazu verpflichtet, dem Busfahrer den Vorgang des Einfädelns zu ermöglichen [38]. Die Grenze des erlaubten Verhaltens ist allerdings dann überschritten, wenn aus Sicht des Busfahrers durch den Einfahrvorgang die Gefährdung eines nachfolgenden Fahrzeugs nicht ausgeschlossen werden kann. In diesen Fällen muss der Busfahrer zwingend auf eine günstigere Gelegenheit warten, da er sonst seine spezielle Sorgfaltspflicht gem. § 10 Satz 2 verletzen würde [39].
Der Vorrang ist örtlich begrenzt auf gekennzeichnete Haltestellen, also nicht nur mittels Zeichen 224 erkennbare Haltestellen, sondern auch z. B. Haltestellen, die nur durch Schulbusse frequentiert werden, aber auch als solche für den Fahrverkehr gut sichtbar gekennzeichnet sind.
Das Einfahren aus anderen Straßenteilen wie z.B. aus einer Buswendeschleife fällt nicht unter den von Abs. 5 geschützten Raum [40]. Jedoch kann ein Fahrzeugführer auch an diesen, nicht privilegierten Orten auf seine Vorfahrt verzichten und dem öffentlichen Verkehrsmittel die Einfahrt auf die Fahrbahn auf der Grundlage des Gebots der Rücksichtnahme aus § 1 Abs. 1 sowie dem Grundgedanken des § 20, den öffentlichen Personenverkehr zu fördern, ermöglichen.
Das Ermöglichen der Abfahrt von einer gekennzeichneten Haltestelle beinhaltet nicht zusätzlich noch eine über den Wortlaut des Abs. 5 hinausgehende freie Wahl des Fahrstreifens, sondern soll lediglich den Vorrang eines bevorzugten Anfahrens von der Haltestelle und des Einfahrens in den rechten Fahrstreifen ermöglichen [41].
Busfahrer, die entgegen einer Anordnung der Straßenverkehrsbehörde an Warnblinklichthaltestellen kein Warnblinklicht einschalten, handeln ordnungswidrig gem. § 49 Abs. 1 Nr. 16 StVO i.V.m. § 24 StVG. Nach der lfd. Nr. 71 des BKat ist für diese Ordnungswidrigkeit ein Verwarnungsgeld i.H.v. 10 vorgesehen.
Fährt ein Busfahrer vom Fahrbahnrand in den fließenden Verkehr ein und gefährdet dabei einen anderen Fahrzeugführer, so handelt er ordnungswidrig gem. § 49 Abs. 1 Nr. 10 StVO i.V.m. § 24 StVG. Nach der lfd. Nr. 47 des BKat ist für diese Ordnungswidrigkeit ein Verwarnungsgeld i.H.v. 30 vorgesehen.
Wer als verantwortliche Person weiß, dass er eine der Tatalternativen aus § 20 begangen hat, handelt vorsätzlich mit der Folge, dass ein Verwarnungs- oder Bußgeld ihm gegenüber erhöht werden kann (Umkehrschluss aus § 1 Abs. 2 BKatV sowie ausdrücklich genannt unter 7.1 TBKat).
Kündigt ein Busfahrer seine Absicht, aus einem Haltestellenbereich in den fließenden Verkehr einzufahren entgegen seiner Verpflichtung aus § 10 Satz 2 nicht rechtzeitig mittels Fahrtrichtungsanzeiger an, so verteilt sich die Haftung für eingetretene Schäden im Verhältnis 50 : 50, wenn andererseits der Kraftfahrzeugführer im nachfolgenden fließenden Verkehr bei einer freien Sicht von 300 Metern nicht den kommenden und berechenbaren Anfahrvorgang eines Linienbusses in sein Fahrverhalten und seine Bremsbereitschaft einkalkuliert [45].
Im Rahmen des Ausmessens der Unfallstelle kommt es neben der Ermittlung der verschiedenen Sichtlinien oft darauf an, wie die Laufrichtung und die Laufgeschwindigkeit des Unfallopfers ausgesehen haben. Diese wichtigen Unfalltatsachen lassen sich, mangels fotografischer Dokumentation, nur durch exakte Zeugenbefragungen ermitteln. Die Qualität der polizeilich gefertigten Lichtbilder lässt nicht selten viele Wünsche offen. Ihre Aufgabe wäre es allerdings, die Endstände beteiligter Fahrzeuge bildlich zu dokumentieren, so dass sich die an der späteren juristischen Aufarbeitung des Geschehens die beteiligten Juristen von Versicherungen, Anwaltschaft und Justiz ein anschauliches Bild von der Unfallsituation machen können.
Gerade in Bezug auf Unfälle an Bushaltestellen ist es oft sinnvoll, die markanten Punkte der Haltestelle wie z. B. Wartehäuschen ebenso mit in die Unfallskizze einzumessen wie vorhandene Fahrbahnmarkierungen oder mögliche Sichtbehinderungen durch parkende Fahrzeuge. Selbst die Tatsache, ob und wie ein Haltestellenbereich konkret von außen und auf welche Entfernung hin als solcher erkennbar war kann prozessentscheidend sein [46].
Bei PKW-Fußgänger-Unfällen wie sie sich zwischen die Straße überquerenden Fahrgästen und die Haltestellenbereiche passierenden PKW ereignen ist für die Verletzungsfolgen die von den PKW gefahrene Geschwindigkeit die entscheidende den Unfall begünstigende Tatsache. Da nur eine zu vernachlässigende Anzahl von KFZ über einen Unfall-Datenspeicher verfügt, müssen die zum Zeitpunkt der Kollision gefahrenen Geschwindigkeiten regelmäßig aus Faktoren wie Anhalteweg, Bremsspur, Verformungen der Karosserie oder dem Ausmaß der eingetretenen Verletzungen gefolgert werden. Diese Tatsachen erfordern in nachfolgenden Gerichtsverfahren regelmäßig das Erstatten mehrerer Sachverständigengutachten, deren Voraussetzung allerdings eine genaue Beweisaufnahme sowie eine sorgsame Beweissicherung sind.
Da bei den einschlägigen Verkehrsunfällen oft Kinder und ältere Menschen als Opfer und Zeugen erscheinen, müssen sich die polizeilichen Vernehmungsmethoden behutsam an die Befindlichkeiten der beteiligten Klientel anpassen, um zu brauchbaren und verwertbaren Ermittlungsergebnissen gelangen zu können. Wenig sinnvoll ist eine Arbeitsweise, die bereits am Unfallort sämtliche für notwendig erachtete Vernehmungen quasi en passant bei der Vermessung der Unfallstelle erledigen zu wollen. Bei Verkehrsunfällen zwischen einem öffentlichen Verkehrsmittel sowie einem anderen KFZ ist es oft streitig, ob ein dem öffentlichen Verkehrsmittel grundsätzlich zustehender Vorrang eingeräumt wurde oder nicht [47]. In diesen Fällen dürfte neben den Endständen der unfallbeteiligten Fahrzeuge noch interessanter die Beantwortung der Frage sein, mit welcher Motivation die beiden beteiligten Fahrzeugführer dem Begegnungsvorgang gegenüber getreten sind, was sich jedoch erfahrungsgemäß nur selten ermitteln lassen wird. Rückschlüsse auf die tatsächlichen Motivationen lassen sich jedoch dann ziehen, wenn die Abfolge nach außen erkennbarer Ereignisse wie z. B. dem ersten erkennbaren Zeitpunkt des Blinkens während eines Anfahrvorgangs eines Busses von einer Haltestelle über Zeugenaussagen zweifelsfrei rekonstruiert werden kann [48].
Wichtig ist auch, ob sich der Haltestellenbereich im Verlauf einer geraden Straße oder in einem Kurvenbereich befunden hat. Diese örtlichen Gegebenheiten sind dafür relevant, auf welche Strecke der nachfolgende Verkehr vom Busfahrer beobachtet werden konnte bzw. aus welcher Entfernung der nachfolgende Fahrzeugführer das Blinken hatte wahrnehmen können [49].
In vielen Fällen werden sich die Zeitpunkte, wann der Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wurde bzw. wann das erste Blinken wahrgenommen wurde infolge widersprüchlicher Aussagen von Zeugen ebenso wenig ermitteln lassen wie die Antwort auf die Frage, ob zeitlich zuerst geblinkt oder angefahren wurde [50]. Handelt es sich um geringe Sachschäden, so dürfte es zu rechtfertigen sein, wenn sich der polizeiliche Ermittlungsaufwand im unteren zeitlichen Bereich bewegt. Wird jedoch wegen eines Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung ermittelt, ist mit hohem Ermittlungsaufwand auch eine Personalienfeststellung der in den Haltestellenbereichen wartenden Fahrgäste zum Zwecke einer späteren Vernehmung angebracht.
Grundlage dieses Tatverdachts, der regelmäßig zunächst von den vor Ort den Verkehrsunfall aufnehmenden Polizeibeamten im sog. "Ersten Angriff" ermittelt wird, ist neben dem juristischen Taterfolg der Verletzung oder des Todes (beide Delikte sind sog. fahrlässige "Erfolgsdelikte") des Unfallopfers die Verletzung einer dem Kraftfahrzeugführer obliegenden Sorgfaltspflicht.
Sorgfaltspflichten enthält der § 20 zuhauf.
So waren in einem vom OLG Köln im Jahr 1982 zu entscheidenden Fall die beiden Sorgfaltsverpflichtungen, während des Vorbeifahrens vorsichtig zu fahren und dabei einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten einschlägig [51].
Wird eine derartige Sorgfaltspflichtverletzung schuldhaft, d. h. pflichtwidrig und darüber hinaus subjektiv vorwerfbar verletzt, so erfolgt regelmäßig eine Verurteilung.
Unterläuft einem Busfahrer während der Abfahrt von der Bushaltestelle ein unfallursächlicher Fahrfehler, so kann auch ein Busfahrer zu einem Fahrlässigkeitstäter werden. So hatte in einem vom OLG Köln zu entscheidenden Fall eine Busfahrerin bei der Abfahrt von einem Busbahnhof nicht bemerkt, dass sich ein 6jähriger Schüler mit seiner Kordel hinter dem Drehstab der vorderen neben ihrem Fahrersitz befindlichen Ausstiegstür verhakt hatte [52]. Die Busfahrerin fuhr bei einem hohen Lärmpegel in ihrem Fahrzeuginnern los, während der Junge noch einige Meter neben dem Bus herlief, ehe er stürzte und mit tödlichen Verletzungsfolgen zuerst unter das Vorderrad, dann unter das Hinterrad des eine Rechtskurve beschreibenden Busses geriet. Die Fahrerin konnte das Kind, das sich im toten Winkel des Außenspiegels befand, nicht erkennen und überhörte während des Anfahrens einen Zuruf eines rechts neben ihr sitzenden Fahrgastes, das Fahrzeug anzuhalten ebenso wie das mehrmalige Hupen des an der Haltestelle verbleibenden benachbarten Busses.
Beide Vorinstanzen des OLG Köln vermochten in dem Verhalten der Busfahrerin keine Sorgfaltspflichtverletzungen zu erkennen und sprachen die Fahrerin von dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Das OLG Köln verwies den Fall auf der Grundlage schwerwiegender Rechtsfehler zurück an eine andere Strafkammer des zuvor urteilenden Landgerichts. U. a. hatte das Landgericht es für ausreichend gehalten, auch bei möglichen toten Winkeln im Rückspiegel vor der Abfahrt einen Blick in denselben zu werfen, ohne zusätzlich von dem Fahrersitz aufstehen und einen Blick aus dem Fenster werfen zu müssen.
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