Home
Vorwort zur Ausgabe April 2006
Rolf Diederichs, 19.4.2006


Interview in ARD Brisant
ZDF Frontal21 bereitete eine Reportage "Schulbusse" vor und wollte dazu über Schulbusunfälle etwas von uns hören, unsere Antwort lautete: Wir sind keine Katastrophenreporter, uns geht es vielmehr um die Analyse von Unfällen, deren Ursächlichkeiten, und nicht mit banalen Aussagen wie "unangepasste Geschwindigkeit" einen Punkt zu setzen. Es geht auch nicht darum Fahrer zu verurteilen aber den Unternehmer, Schul- oder Kostenträger ungeschoren davon kommen zu lassen.

Sicher gibt es, je nach schwere des Unfalls, hier und da auch technische Gutachten. Busbetriebe sind die größten Kunden dieser Gutachter die auch als Prüfstellen agieren, dürfte da nicht einiges klar werden? Macht man da nicht "den Bock zum Gärtner". Wir vermuten hier nichts aus dem hohlen Bauch, sondern haben in einigen Artikeln schon über genügend Anhaltspunkte berichtet. Ferner werden bei Gutachten nur Mängel am Fahrzeug oder Fehler des Fahrers beurteilt, dabei werden Fehler im System erst gar nicht geklärt.

Wir stellen die Frage: "was hätte den Unfall oder die schwere der Verletzung vermeiden können". Bei einem Unfall im Winter führte etwa scharfes, in einem großen Omnibus ohne Gurte, zu einer Stahlplatte im Kopf eines Kindergartenkindes. Die Staatsanwaltschaft hatte die Verantwortlichen für fünf wesentlichsten Mißstände nicht zur Rechenschaft gezogen, aber die Busfahrerin wurde verurteilt. Letztendlich könnten die Ergebnisse einer lückenlosen Aufklärung zu wichtigen Präventionsmaßnahmen führen, aber auch verstärkt über deren Notwendigkeit überzeugen.

Prävention wird sicherlich von vielen Institutionen versucht, aber da die Politik oder die Lobby dort in der Regel der Boss ist, müssen die Experten dieser "Fachstellen" über vieles hinwegsehen. So hat man auch bei der Prävention mal wieder den Bock zum Gärtner gemacht. Die Gipfel wird dann sogar noch erreicht, wenn sich Richter von solchen Institutionen Gutachten einholen, wenn z.B. Eltern gegen die Kommune klagten. Aber auch die Politik bedient sich solcher "Gutachten" gerne als Alibifunktion ihre vorgefertigte Entscheidung zu untermauern. Das größte Hindernis ist, dass die Politik in diesem Bereich kein Geld zur Verfügung stellen will, vorgeschobene Gründe sind die leeren Kassen, aber bei der Verteilung der Gelder fehlt den Kindern und Eltern die Lobby.

Ein weiteres unserer Ziele lautet: "Aus Unfällen lernen - aber auch aus anderen Regionen" und dieses dürfte in der heutigen Informationsgesellschaft besonders leicht möglich sein. Nicht erst Maßnahmen ergreifen wenn der Unfall vor der eigenen Haustür passierte, das wäre statistisch wirklich Blödsinn. Der Bürgermeister von X soll aus dem Unfall in Y Konsequenzen ziehen, dies ist ein wünschenswertes Ziel. "Leider" verteilen sich ca. 100 Tote auf dem Schulweg und 10 Tote am/im Schulbus über das ganze Jahr. Die Öffentlichkeit würde viel stärker reagieren, auch mit Maßnahmen, wenn es wie in Bad-Reichenhall 15 Tote mit einem Schlag geben würde.

Es sind natürlich in der Schülebeförderung gewisse Problemschwerpunkte vorhanden, aber trotzdem hapert es insgesamt in der Schülerbeförderung an allen Ecken und Kanten. Schülebeförderung läst sich an einer verrottete Kette darstellen, an der jeden Tag ein anderes Glied reißt und jedes mal die Unfallursache etwas anders gelagert ist.

Es lassen sich folgenden Einflussgrößen darstellen:

  1. Politik: Budgets werden gekürzt, es fehlt der politische Wille, Kinder haben keine Lobby. (nicht zu vergessen, die Politik mobbt Bewegungen wie z.B. die Schulbus.Net)
  2. Organisation: Zuständigkeiten zwischen den Beteiligten ist sehr unklar: Landkreis, Schule, Aufsichtsbehörde, Polizei, und der Betrieb führt nur aus?
  3. Ausschreibung: Der Billigste bekommt den Auftrag, keine Qualität und Leistung wird berücksichtigt. Der Unternehmer wäre dumm wenn er freiwillig mehr leisten würde und somit sich selbst disqualifiziert.
  4. Personal: Zu wenig Qualifikation, Dumpinglöhne, Fahrplandruck, unzureichende Kontrollen und Sanktionen durch die Polizei.
  5. Fahrzeuge: Ausführungsvorschriften, Mängel, überfüllt, Prüfstellen im Wettbewerb, Unzureichende Kontrollen und Sanktionen durch die Polizei.
  6. Beschwerdesystem: Eltern werden hoffnungslos im Labyrinth der Zuständigkeiten zermürbt, es gibt keine zentrale Beschwerdestelle. Auch die EU fordert Verbraucherrechte im ÖPNV.
Ist es nicht paradox wenn der größte wirtschaftliche Faktor im ÖPNV die Eltern und Kinder sind, aber deren Einfluss verschwindend gering ist, ja sogar häufig diese wie ein lästiges Übel behandelt werden. Wir hatten schon die Landeselternvertretungen darauf hingewiesen, dass sie entsprechend dem Nahverkehrsgesetz bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans das Recht haben ein Wort mitzureden.

Es wurde während der zweimonatigen Recherche eine Menge Material den Frontal21 Reportern zur Verfügung gestellt, leider ist die Reportage bisher nicht erschienen. Ähnliches lief schon mit ZDF-Reporter, Planetopia, K1-Reporter etc. Vielleicht hat der Inhalt den Trägern der öffentlich-rechtlichen Sendern nicht mehr gepasst. Viel Zündstoff war auch aus den Reihen ausgeschiedener Busfahrer der SZ-Betriebe (Prof. Dr. Sterzenbach) enthalten. Es wurden schon Termine gemacht und im Bus mitgefahren. Gute Kontakte dieser kommunalen Dienstleister reichen bis in die hohe Politik, sicherlich dann auch bis zu den Chefredakteuren. Was soll's, über das Medium Schulbus.Net kann allemal mehr rüber kommen, als in 7 Minuten Sendezeit sich berichten ließe.

Die Redaktion
Rolf Diederichs

| Im Forum Diskutieren |