Schulbus fährt auf Sommerreifen ein Einfamilienhaus abbruchreif
Nach Polizeiangaben vorne nur Sommerreifen und hinten auch nur Ganzjahresreifen
von Rolf Diederichs, 13.3.2005
Im Oeventrop schleuderte ein Linienbus der Schülerbeförderung durch mehrere Vorgärten und durchbrach die Außenmauer eines Einfamilienhauses. Der Bus, den vor allem Schulkinder nutzen, war zum Zeitpunkt des Glatteis-Unfalls noch leer. Die Fa. Zacharias - Omnibus und Holzbetriebe - aus Freienohl, fährt als Sub-Unternehmer für die Schülerbeförderung. Der Unfallort liegt in unmittelbarer Nähe von Rüthen, dem anderen Schauplatz unserer Sommerreifen Serie, des Dialogs mit Axel Horstmann. Der Beitrag berichtet über die genauen Michelin Reifen und klärt auch die Begriffe von Winterreifen und Ganzjahresreifen.
Ein spektakulärer Unfall ereignete sich morgens am 9.3.2005 an der Glösinger Straße innerhalb der Ortschaft Oeventrop im Hochsauerland (nicht weit von Rüthen). Ein 23-jähriger Fahrer eines Omnibus der Firma Zacharias verlor dort auf glatter Fahrbahn die Kontrolle über seinen Fahrzeug, kam von der Straße ab und beschädigte drei Wohnhäuser. Medienberichte schildern widersprüchlich von leichten oder schweren Verletzungen des Busfahrers.
Der Bus befuhr die Straße in Richtung Widayweg. In Höhe der Einmündung Bergeshang kam der Bus nach rechts von der Straße ab und stieß gegen eine Grundstücksmauer. Von dort abgewiesen überquerte der Bus die Straße, fuhr auf der gegenüberliegenden Seite anschließend gegen drei Häuser und kam an einer Hauswand zum Stehen. Der Fahrer wurde dabei eingeklemmt und konnte erst nach zwei Stunden befreit werden. Es handelte sich um einen Bus der Fa. Zacharias - Omnibus und Holzbetriebe - aus Freienohl, welcher im Linienverkehr überwiegend Schüler befördert. Im Bus befand sich zum Unfallzeit noch keine Schulkinder.
In der Westfalenpost [1] heißt es weiter: Die Bewohner des Hauses, ein älteres Ehepaar, stehen zwar unter Schock, doch sind unverletzt. Das Haus ist bis auf weiteres unbewohnbar. Das Ehepaar wird zunächst bei Verwandten wohnen.
Furchtbarer Knall "Es war gegen 5.30 Uhr, als es einen furchtbaren Knall gab", so die Nachbarin, deren Haus als erstes touchiert wurde. "Dann sah ich noch, wie der Bus wie ein dunkler Schatten ins Nachbarhaus hineinschoss." Der Fahrer des Busses der Linie 371 in Richtung Arnsberg hatte auf spiegelglatter Fahrbahn die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Aus der Kurve, in Höhe "Bergeshang" kommend, war er gegen eine Mauer gestoßen, dann auf die Gegenfahrbahn geraten. Nachdem das Fahrzeug zunächst an der Hauswand eines zweistöckigen Hauses vorbeigeschrammt war, prallte es in die Hausecke des Einfamilienhauses. Erst 50 Zentimeter vor der Hauswand eines Nachbarhauses kam der Bus zum Stehen.
Glück im Unglück Die Bewohner hatten Glück: Nur wenige Minuten später und das Ehepaar hätte am Frühstückstisch gesessen, als der Bus die Hauswand zur Küche durchbrach. Die Schreie des hinter dem Lenkrad eingeklemmten Fahrers seien unüberhörbar gewesen.
Welche Reifen waren auf dem "Schulbus"?
Sommerreifen!
Dank dem Polizeisprecher Udo Heppe der PD Meschede erhielt die Schulbus.Net genaue Angaben über die Reifen.
Auf der Hinterachse waren die Zwillingsreifen mit Michelin XDA 4 aufgezogen. Dabei handelt es sich um einen typischen M+S gekennzeichneten Ganzjahresreifen [2], ohne die besondere Gummieigenschaften eines klassischen Winterreifens (wird unter 7°C nicht hart) . Auf der Vorderachse waren ganz normale Sommerreifen des Michelin Typ XZE drauf.
Eine den winterlichen Straßenverhältnissen angepasste Ausrüstung, sowie nach BOKraft ordnungsgemäß, wären bspw. folgende Reifen des gleichen Herstellers gewesen. Michelin XDW Icegrip oder XDS für die Antriebsachse und XFN für die Lenkachse, nur diese beiden sind mit der Schneeflocke symbolisch in der Produktübersicht von Michelin als Winterreifen gekennzeichnet. Für diese Reifen werden von Michelin Aussagen [2] gemacht wie: Ausgezeichnete Haftung auf Eis und festem Schnee, Ausgezeichnete Traktion bei tiefem Schnee, Spezielle Gummimischung für Einsätze auf vereisten Fahrbahnen, oder festgefahrenem Schnee. Auch die Conti AG liefert solche echten Winterreifen für Omnibusse [7,8].
Das der Markt keine M+S oder Winterreifen für die Lenkachse bieten würde, ist ein weit verbreiteter Irrum.
Auch im Schulbus-Forum klärte dazu Markus Burgdorf von der Initiative PRO Winterreifen [10] auf: "Das stimmt so nicht, es gibt auch Traktionsprofile für Lenkachsen, die beispielsweise in Skandinavien verwendet werden. Allerdings ist die Nachfrage nach diesen Reifen aus Deutschland sehr gering." [9]
Eine Schlussfolgerung "unangepasste Geschwindigkeit" träfe in diesem Falle sicherlich nicht den Kern der Sache.
Man könnte es auch Allgemein so ausdrücken: Mit Ganzjahresreifen fliegt der Bus bei 20 Km/h aus der Kurve und mit Winterreifen bei 40 Km/h. So ähnlich kann man auch den Reisebusunfall in Virneburg am 12.3.2005 beschreiben (Bericht folgt).
Mit Sicherheit hat die Unfalltatsache schon bewiesen, dass die Bereifung nicht korrekt war und somit auch ein Verstoß gegen §18 BOKraft vorlag [11]. Es geht hier nicht um die paar Euro Busgeld nach einem Unfall, sondern um Busgeld im Vorfeld bei Kontrollen zu erheben, um damit präventiv solchen Unfällen vorzubeugen.
Begriffsbestimmung von Ganzjahresreifen und Winterreifen
Um die ständigen "Hochstapeleien" wegen der ungeschützten Begriffe von Winterreifen, Ganzjahresreifen oder Allwetterreifen etwas einzudämmen, versuchen wir die Begriffe anhand von Expertenaussagen [3,6] im folgenden klarzustellen.
Entsprechend Richtlinien sind "M+S Reifen" ("M+S" steht für die "mud and snow") Reifen, bei denen das Profil der Lauffläche und die Struktur so konzipiert sind, dass sie vor allem bei Matsch und frischem oder schmelzendem Schnee bessere Fahreigenschaften gewährleisten als normale Reifen. Das Profil der Laufflächen der M+S Reifen ist im allgemeinen durch größere Profilrillen und / oder Stollen gekennzeichnet, die voneinander durch größere Zwischenräume getrennt sind, als dies bei normalen Reifen der Fall ist.
Unter die Definition von M + S Reifen fallen auch Ganzjahresreifen, die nicht die Eigenschaften von "klassischen Winterreifen" besitzen.
Es ist somit zu differenzieren zwischen M+S-Reifen und "klassischen Winterreifen" im Sinne von Reifen, die den besonderen Erwartungen an winterliche Fahreigenschaften gerecht werden.
Es in Deutschland (geschäfts)üblich Reifen als "Winterreifen" zu bezeichnen, die im
Gegensatz zu Sommerreifen einen höheren Anteil an Silica in der Laufflächenmischung, eine
asymmetrische Profilgebung, eine geometrische Anordnung der Profilblöcke sowie
besonders angeordnete Lamellen auf der Lauffläche haben. Teilweise werden solche Reifen
durch ein Schneeflockensymbol gekennzeichnet.
Durch das Zusammenwirken dieser Beschaffenheitsmerkmale haben "Winterreifen" im
Vergleich zu Sommerreifen bei Eis- und Schneeglätte eine bessere Haftfähigkeit, stabilere
Seitenführung sowie eine bessere Traktion bzw. einen erheblich kürzeren Bremsweg. Nach
der Arbeitsgruppe vorliegenden Erkenntnissen lässt sich verallgemeinernd sagen, dass
Winterreifen gegenüber einem gleichdimensionierten Sommerreifen bei Temperaturen von
weniger oder gleich 7 Grad Celsius deutliche Vorteile besitzen. Voraussetzung hierfür ist,
dass die Reifen eine Profiltiefe von mindestens 4 mm aufweisen. Bei einer Restprofiltiefe von
weniger als 4 mm ist die Wintertauglichkeit nicht mehr ausreichend.
Der Standard und die guten Wintereigenschaften des
"klassischen" Winterreifens beruhen alleine auf der Konkurrenzsituation des Marktes. Sie sind weder im
deutschen noch im europäischen Recht spezifiziert bzw. definiert. Um das gesetzgeberische
Ziel "Einsatz von Reifen mit ausreichenden Wintereigenschaften" zu gewährleisten, wäre es
daher erforderlich, Winterreifen abweichend von der Kennzeichnung "M+S-Reifen" zu definieren. Ansonsten bestünde die
Gefahr, dass vielfach Reifen mit einer M+S Kennzeichnung aber weniger guten
Wintereigenschaften als klassische Winterreifen gefahren würden. Der DVR und die Initiative Pro-Winterreifen schlägt daher die Einführung des Schneeflockensymbols für "echte" Winterreifen vor. [5]
Angaben von Michelin
Ungenügend Wintertauglich (auf dem Unfallfahrzeug)
| Optimal Wintertauglich
XZE "Nahverkehr Segment E"
Für die Lenkachse bei Nutzfahrzeugen
Vorteile:
Vielseitig einsetzbar,
Hohe Widerstandsfähigkeit gegen Verletzungen,
Effiziente Wasserverdrängung
Eigenschaften:
Abriebsfeste Gummimischung,
Breite Längsrillen,
Massive Schultern
Dimensionen:
7.50 R 20,
8.25 R 20,
9.00 R 20,
10.00 R 20,
11.00 R 20,
12.00 R 20 TL,
335/80 R 20 TL
|
XFN / XFN+ "Nahverkehr Segment E"
Für die Lenkachse bei winterlichen Bedingungen
Vorteile:
Ausgezeichnete Haftung auf verschneiten Straßen,
Stabiler Geradeauslauf,
Unempfindlich gegen Spurrillen
Eigenschaften:
Tiefes und längsorientiertes Profil,
Verstärktes Querprofil (Quereinschnitte)
Dimensionen: XFN 295/80 R 22.5 TL;
XFN + 315/80 R 22.5 TL, 385/65 R 22.2 TL
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XDA 4 "Nahverkehr Segment E"
Für die Antriebsachse von Reisebussen
Vorteile:
Ausgezeichnete Haftung bei winterlichen Bedingungen - M+S Kennung,
Gleichmäßiges Abriebsbild,
Geringe Laufgeräusche,
Hohe Laufleistung,
Zweistufige Profilausführung
Eigenschaften:
Verstärkungsstege zwischen den Profilblöcken,
Stark lamellierte Lauffläche,
Zahlreiche Längs- und Querrillen
Dimensionen: 295/80 R 22.5 TL, 315/80 R 22.5 TL
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XDS "Nahverkehr Segment E"
Für maximale Haftung auf der Antriebsachse im tiefen Schnee
Vorteile:
Ausgezeichnete Traktion bei tiefem Schnee,
Hohe Laufleistung
Eigenschaften:
Sehr gute Selbstreinigung des Profils,
Spezielle Gummimischung für den Einsatz in tiefem oder festgefahrenem Schnee,
Stark profilierte Schultern
Dimensionen:
295/80 R22.5 TL
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XDW Icegrip "Nahverkehr Segment E"
Für maximale Haftung auf der Antriebsachse auf Eis und festgefahrenem Schnee
Vorteile:
Ausgezeichnete Haftung auf Eis und festem Schnee,
Sehr gute Querhaftung,
Widerstandsfähigkeit der Lauffläche gegen Einrisse,
Hohe Laufleistung
Eigenschaften:
Wellenförmige, bi-direktionelle Lamellen im Profil,
Spezielle Gummimischung für Einsätze auf vereisten Fahrbahnen,
Tiefes, traktionsstarkes Profil
Dimensionen:
295/80 R 22.5 TL,
315/80 R 22.5 TL
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Quelle: www.michelin.de/de/nf/nf_reifenwahl_e.jsp
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Hintergründe und weitere Informationen:´
10.03.2005 Westfalenpost über den Unfall:
- Glatteis: Bus krachte in Wohnhaus
Weitere Informationen:
- Michelin Reifen für Nutzfahrzeuge
- IMK-Beschluss: Umrüstung auf Winterreifen bei winterlichen Straßenverhältnissen 21.2.2005 Berlin
- Eine Änderung der STVO sieht eine versteckte Winterreifenpflicht ab Herbst 2005 vor 19.2.2005
- Kommen harte Zeiten auf Winterreifenfälscher zu? 3.12.2004 Berlin (rd)
- Winterreifenpflicht mit Hinweisen zur Definition von Winterreifen 13.12.2004 Finnland
- Auch Reisebusse brauchen Winterreifen für mehr Sicherheit 13.10.2003 Hannover
- Conti: LKW- und Bus-Winterreifen für Sicherheit bei extremer Witterung Hannover
- Expertenmeinungen zur Bereifung von Schulbussen gesucht Schulbus-Forum
- Initiative Pro Winterreifen
Erinnerung an unsere Tagestipps vom 21.1.04:
- 1.
"Gesetze" gegen die Behörden und Politiker tagtäglich jeden Winter verstoßen
- 2.
Die Irrtümer über Winterreifen der Busbranche
Nicht zu vergessen die zahlreichen Informationen der Schulbus.Net Winter-Ausgabe 2005 im Archiv, z.Z noch auf der Titelseite.
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