Sommerreifen: Verkehrsministerium NRW droht mit Entzug der Konzession
Mehrere Busse wurden inflagranti auf Schneeglätte mit Sommerreifen erwischt
von Rolf Diederichs, 3.3.2005
3.3.2005 Rüthen/Düsseldorf(rd)
Eine Visite der Schulbus.Net am Schulzentrum am Montag 28. Februar in Rüthen förderte wieder den Beweis hervor mit welcher Ignoranz Busunternehmen in Deutschland gegen die BOKraft verstoßen. Bei den Sommerreifen der drei Busse der Karrie-Tours wäre die Verwendung des Begriffes Ganzjahresreifen reinste Hochsappelei gewesen. Das Verkehrsministerium NRW sagte noch am gleichen Tage hartes Durchgreifen zu. Die Schulbusfahrerin, am 21.2.2005 berichtet, packte über die Zustände in dieser Firma in einem Brief an den Bundesverkehrsminister Stolpe aus, nicht an Axel Horstmann dem Verkehrsminister von NRW, wie aufgrund eines Missverständnis irrtümlich berichtet wurde. Horstmann bleibt aber trotzdem zuständig für die Umsetzung der BOKraft in NRW. Wie wir hier sehen trifft er auf wenig Gegenliebe bei der Polizei NRW den §18 BOKraft anzuwenden.
45 Sek. Video Clip 0,5MB:
In einem vor Ort aufgenommen Video singen Schulkinder "Wir wollen Winterreifen". Ein Ständchen, gerichtet an Verkehrsminister Axel Horstmann und Manfred Stolpe sowie Verkehrsminister anderer Bundesländer.
Auslöser für einen Abstecher der Redaktion nach Rüthen waren Berichte von Sommerreifen auf Schulbussen zu der auch auf Schulbus.Net schon berichtet wurde [1]. Am Schulzentrum in Rüthen angekommen erwarteten wir fünf Schulbusse an einer vorbildlich ausgestatteten Haltestellenanlage.
Fünf Busse inflagranti mit Sommerreifen erwischt
Als erstes fuhr ein langer Gelenkbus der RKH ein. In kurzer Zeit die zur Verfügung stand, wurde die rechtsseitige Bereifung aller drei Achsen fotografiert, Fotos siehe am Ende des Artikels. Hinten ein typischer Ganzjahresreifen mit Stollenprofil, in der Mittenachse ein eher normaler Sommerreifen und ebenso klar ein Sommerreifen. Gelenkbusse sind wegen ihrer tückischen Verhaltens auf Schnee im Winter unbeliebt, so bestätigt dies auch ein Busfahrer gegenüber der Neuen Westfälischen Bielefeld [2]. Auch meldete schon das Hamburger Verkehrsbetrieb vor einigen Wintern "als erstes bleiben die in den Depots". Warum ausgerechnet solch ein großer Gelenkbus in dieser Region Einsatz fand ist fragwürdig zumal der Bus ohnehin nur schwach besetzt war.
Als zweites fuhr ein normaler zweiachsiger Bus mit Aufschrift Quente/Möhneblitz ein. Vorne ein typischer Sommerreifen und hinten ein schwach grobstolliges Profil, der möglicherweise als Ganzjahresreifen ohne Wintereigenschaften gelten könnte.
Danach kamen drei Karrie-Tours Busse die alle eine ähnliche Bereifung aufwiesen, ein typisches Sommerreifen Längsprofil vorne (Lenkachse) und hinten (Antriebsachse Zwillingsräder). Der erste Busfahrer drehte uns kooperativ und stolz die gute Profiltiefe eines Vorderreifens der Kamera zu. Über die Hinterachse schien er dagegen nicht so stolz zu sein, da rief er uns aber aus der Fahrerkabine mit einem Lachen ins Gesicht: "Was wollt ihr eigentlich - Sommerreifen sind doch erlaubt."
Wie geht NRW mit "erlaubt oder nicht erlaubt" um?
Was nun erlaubt oder nicht gingen wir auf den Grund. Wir schilderten den Fall telefonisch dem Diensttuenden Beamten der Polizeiwache in Warstein. Antwort: "da kann man nichts machen, Sommerreifen sind auch bei Schulbussen erlaubt". Auf die BOkraft angesprochen wurde er ungehalten: "Wir wissen schon was wir zu tun haben". Wir riefen daraufhin, die für die BOKraft zuständige Dezernentin Heike Richarz im Ministerium für Verkehr in Düsseldorf an. Wir schilderten ihr mit welcher Ignoranz Busunternehmen in Rüthen gegen die BOKraft verstoßen, aber auch die Polizei nichts davon wissen will! Frau Richarz sagte uns noch am gleichen Tage ein hartes Durchgreifen zu. Auf ähnliche Probleme im Bielefelder Raum angesprochen, wir berichteten über einige Artikel der Neue Westfälischen, Frau Richarz. "Wenn das so ist, dann werden wir dort überall hart durchgreifen, wir brauchen nur konkrete Anhaltspunkte über die Linie. Bei wiederholten Verstößen wird der Beitrieb seine Konzession verlieren." Wir waren sprachlos wie man in Düsseldorf offensichtlich gegen solch mächtigen kommunalen Dienstleister vorzugehen beabsichtigt. Weiter unten berichten wir noch über die ersten Erfolge die Heike Richarz schon nach einem Tag erzielte.
Unmittelbar nach diesem Telefont riefen wir noch mal die Polizeiwache in Warstein an, verwiesen beim gleichen Polizeibeamten auf das Verkehrsministerium und die BOKraft, er nun etwas kooperativer: "Ich weis nur das es erlaubt ist, aber wenn Sie sagen das Verkehrsministerium sieht das anders, so erkundige ich mich gerne noch mal bei Kollegen". Damit die richtigen Busse der Polizei ins Netz gingen, hinterließen wir sicherheitshalber alle Nummerschilder.
Winterliche Fotosafari
Einen Eindruck der winterlichen Gegend vermittelt die folgende im Anschluss gemachte Fotosafari. Ein vorbeifahrender Winterdienst schildert, "besonders die Schneeverwehungen bereiten uns hier Probleme". Die Straße die er soeben zu räumen glaubte, wurde aber offensichtlich in keinem guten Zustand für Fahrzeuge mit Sommerreifen hinterlassen. Ein Bus der Karriertour begegnete uns dann noch auf der Fahrt durch die landschaftlich reizvolle Hochebene vor den Toren des Hochsauerlandes. In Rüthen bereitete sich Bürgermeister Rudolf Schieren soeben auf eine Sitzung vor und konnte nach Worten der Vorzimmerdame uns daher leider zu keinem kurzen Interview empfangen. Wir berichteten über seine Aktien in den Sommerreifen in dem vorherigen Artikel. [1]
Zum Glück wohnt Schulbus.Net nicht im Kreis Soest
Am nächsten Tag erhielten wir Hinweise von Eltern über Unruhen die unser Besuch hinterließ, es würden schon Pläne geschmiedet werden, ob man nicht polizeilich gegen den Jeep fahrenden Reporter etwas unternehmen könnte (Ziele wie in Mayen?). Dieser sei scheinbar wie unter einem Kommando "Snow-Storm" in diese Gegend von fern her in einer Nacht und Nebel Aktion eingebrochen und hätte fürchterliche Ängste auch bei Busfahrern ausgelöst. Ein Elternteil beruhigte solche verängstigten Busfahrer mit Worten: "Der tut noch nichts gegen euch, sondern ihr könnt doch froh, wenn es erst gar nicht zu einem Unfall kommt, aufgrund dessen ihr vor dem Richter wegen "unangepasster Geschwindigkeit" landet. [10]
Polizei den schwarzen Peter zugeschoben
Von Heike Richarz erhielten wir später zur geplanten "Quasi-Winterreifenpflicht" die Auskunft, dass das Land Nordrhein-Westfalen ausdrücklich die vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vorgesehene Änderung des § 2 Abs. 3a Straßenverkehrsordnung, wonach bei Kraftfahrzeugen die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse anzupassen ist, unterstützt. ("Prima", so wie schon eh und je §18 BOKraft)
Ein Wischi-Waschi-Paragraf, der zudem Ganzjahresreifen mit Matsch-und-Schnee-Klassifizierung explizit erlauben wird. Ändern wird sich nichts, außer dass die "Polizei den schwarzen Peter zugeschoben bekommt, obwohl sie ihn nicht verdient", wie Collatz sagt. Polizisten werden künftig entscheiden müssen, ob ein Auto angemessen bereift ist oder nicht. "Und das ohne konkrete Vorgabe", sagt Collatz von der Polizei Bielefeld. [3]
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Die weitere Erklärung in dem Schreiben aus Düsseldorf: "Durch eine derartige Generalklausel besteht für eine spezielle Pflicht für die Schülerbeförderung kein Bedarf mehr". Das verwunderte uns allerdings sehr, denn erstens sei die geplante StVO Änderung noch nicht verabschiedet, und zweitens wurde doch noch gestern gesagt, die bestehende gesetzliche Regelung der §18 BOKraft erlaube schon jetzt ein hartes Durchgreifen.
Soll Heike Richarz auf die Straße um die BOKraft zu kontrollieren?
Oder nur die Eltern?
Im Schreiben heißt es weiter: Zu der telefonisch bemängelten Schülerbeförderung mit drei Bussen in Rüthen am 28. Februar 2005 durch die Karrie-Tours, hat die Bezirksregierung Arnsberg zwischenzeitlich Stellung genommen. Danach ist es richtig, dass die Busse mit Sommerreifen gefahren sind. Die Polizei hat die Reifen der Fahrzeuge kontrolliert und sie nicht beanstandet. Da es eine gesetzliche Verpflichtung für die Unternehmen, mit Winterreifen zu fahren, derzeit noch nicht gibt, ist die Polizei auch nicht eingeschritten.
Eine kurzfristige Antwort auf unsere heutige Frage, ob denn §18 BOKraft keine gesetzliche Vorschrift sei, erhielten wir zwischenzeitlich aus Düsseldorf noch nicht.
Ab nächsten Winter fährt Karrie-Tours auf Winterreifen
Heike Richarz berichtete in dem Schreiben weiter, dass Herr Karrie jun. heute sowohl gegenüber der Bezirksregierung Arnsberg als auch der Unterzeichnerin erklärte, dass er beabsichtige, ab dem nächsten Winter seine Busse mit Winterreifen auszurüsten. Derzeit gäbe es für die Vorderräder der Busse keine Winterreifen. (Kommentar: was sich sicherlich noch mit Conti etc. klären ließe [13,14]).
Wegen der von Schulbus.Net beanstandeten Kontrollen durch die Polizei, hat Heike Richarz das Innenministerium um Stellungnahme gebeten. Nach Vorliegen der Stellungnahme würde sie auf die Angelegenheit zurückkommen.
Der Kommentar:
Die Aufsichtsbehörde für die Personenbeförderung sitzt im Ministerium für Verkehr und die Kollegen der Polizei im Ministerium des Inneren. Eltern laufen schon jahrelang wegen der Sommerreifen bei der Polizei, dem Bürgermeister oder der Kreisverwaltung gegen eine Wand. Der Einfluss des Aufgabenträgers (der Kreis) der Schülerbeförderung oder des Nahverkehrs ist auf die örtliche Polizei offensichtlich höher als der der Aufsichtsbehörde aus Düsseldorf, fern ab vom Geschehen. Wie wird sich auf der Straße die geplanten Quasi-Winterreifenpflicht in der StVO für alle Kraftfahrzeuge entwickeln? So wie bisher bei Kindersitzen die Eltern an den Pranger gestellt, aber bei der KIGA Beförderung und anderer kommunaler Verantwortung alle Augen zugedrückt werden?
Mit den Reifen ist doch noch nie was passiert, ist eine beliebte Ausrede der Verkehrsbetriebe. Aber wer findet schon die Kurzmeldungen der Polizei, die mit Worten "unangepasste Geschwindigkeit" alle Aufmerksamkeit auf den Fahrer lenken. Auch wenn häufig die Fahrgäste in den tonnenschweren Fahrzeugen nach einem Unfall noch relativ glimpflich weg kommen, der Unfallgegner dagegen in der Regel nicht.
Besonders in Randgebieten wo die Bezahlung der Sub-Sub-Unternehmer bei steigenden Fahrpreisen immer weiter sinkt, fällt der Pfusch am Personal und Material immer häufiger auf. Dort geht es insbesondere zu Lasten der Schülerbeförderung, die mit den Elternbeiträgen sogar den gesamten ÖPNV subventionieren. Die jetzt laut werdenden Forderungen der Betriebe nach mehr staatlicher Förderung, sonst könne man sich keine Winterreifen leisten, werden am Ende wieder nur in die Taschen des Vorstandes der Nahverkehrsdienstleister landen. Geschäftserfahrungen dieser Dienstleister (z.B. Rethmann) wie man mit "Public Private Partnership" sich eine goldene Nase verdient, haben sie bei der Müllverbrennung schon genügend gesammelt. |